
Welche Kamera für die Produktfotografie?
Es gibt nicht DIE eine perfekte Kamera für jeden Anwender
Bei der Produktfotografie geht es darum, Produkte im besten Licht erstrahlen zu lassen. In diesem Satz fehlt das Wort Kamera und das hat seinen Grund, denn die Kamera ist nicht das wichtigste Werkzeug dabei.
Ganz ohne geht es dann auch nicht. Man kann sich zwar mit dem Smartphone helfen, das bringt aber mehr Nachteile als Vorteile.
Welche Kamera für die Produktfotografie sinnvoll ist und welche Funktionen relevant sind erkläre ich Euch hier.
Je nachdem wie professionell die Produktfotografie betrieben wird und in welchem Medium die Bilder verwendet werden, gibt es durchaus besser und schlechter geeignete Kameras.
Um die Sache einfacher zu machen, unterscheiden wir 3 Anwendergruppen.
Die 3 Anwendergruppen in der Produktfotografie
Amateur – Privatanwender / Kleinunternehmer
Erstellt hochwertige Fotos seines Hobbies, z.B. seiner Armbanduhren. Oder verkauft gebrauchte oder selbst gebastelte Produkte über Ebay, Etsy, den eigenen Webshop usw.
Medium: Bildschirm, kleinere Drucksachen wie Flyer oder Postkarten
Semiprofi– Kleinunternehmer/ Kleines, mittleres Unternehmen
Verkauft selbst hergestellte Produkte oder als Reseller auf verschiedenen Plattformen sowie auf Drucksachen.
Medium: Bildschirm, kleine bis mittelgroße Drucksachen wie Flyer, Postkarten, Poster usw.
Profi – Unternehmen jeder Größe und Fotografen
Verkauft selbst hergestellte Produkte oder als Reseller auf verschiedenen Plattformen sowie auf Drucksachen.
Medium: Bildschirm, kleine bis große Drucksachen, wie Flyer, Postkarten, Poster, Plakate, Planen usw.
Welche Eigenschaften einer Kamera sind wichtig in der Produktfotografie?
Fast alle Kameras sind heutzutage echte Allrounder und können fast alle Anwendungsbereiche bedienen. Je nach Kamera funktioniert das besser oder schlechter. Die großen Kamerahersteller bieten deshalb immer verschiedene Modelle einer Modellreihe an. Manchmal mit für den Laien überraschenden technischen Unterschieden. Das macht mit etwas Hintergrundwissen aber alles Sinn.
Das Objektiv sollte wechselbar sein
Fest verbaute (Zoom-)Objektive sind super, wenn man in den Urlaub fährt oder Familienfeste fotografiert. Für eine ernsthafte Anwendung im Studio aber nicht die beste Wahl. Die Kamera sollte über ein sogenanntes Bajonett verfügen, das ist der Adapter an der Kamera, an den das Objektiv gehängt wird.
Der einzige Kameramodus, den wir brauchen: Manuelle Einstellung (M)
In der Produktfotografie ist jeder Automatikmodus unnötig. Man hat ja Zeit alles perfekt einzustellen und bekommt so auch konsistente Bilderserien.
Die Kamera braucht eine Befestigungsmöglichkeit
Die meisten Kameras haben an der Unterseite eine eingebaute Mutter, an der man einen Adapter für sein Stativ befestigen kann. Aus der Hand kann man so einiges fotografieren, die meisten Produktfotos werden aber mit der Kamera an einem Stativ entstehen.
Wir brauchen Speicherplatz
Die Kamera sollte mindestens einen Speicherkarteneinschub haben. Am besten hat man zwei, auf denen die Bilder gespiegelt werden.
Die Kamera braucht einen Kabel Anschluss für Tethering
Die Bildschirme einer Kamera sind viel zu klein und oft nicht kalibriert, sodass man immer getäuscht wird. Das Tethering ist ein echter Game-Changer und meiner Meinung nach nicht optional.
Wird eine Kamera per Kabel an einen Computer (Desktop PC, Laptop, iMac, iBook, …) angeschlossen, kann man mit entsprechender Software die geschossenen Bilder direkt auf dem Bildschirm des Computers sehen.
Fotos sollten im RAW Format aufgenommen werden
Das RAW Format ist etwas anders als das JPG Format. Es speichert die Bild-rohdaten und die Bearbeitung von Farb- und Helligkeitswerten in zwei separaten Dateien, die gemeinsam im RAW Container liegen.
Der Vorteil sind verlustfreie Fotos, die mit einer Software wir Lightroom oder Capture One Pro alle gleich bearbeitet werden können.
Der Nachteil sind weit größere Dateien, als im JPG Format.
Welche Kameraeigenschaften einer Kamera sind nicht wichtig bei der Produktfotografie?
Ich hab’s ja schon erwähnt, die meisten Kamera können auf dem Papier alles, manche sind sogar echte Spezialisten in einer Sache und können eine andere Sache so mittel-gut. Hier die unwichtigen Eigenschaften, die ihr einfach ignorieren könnt:
Gute ISO Performance
Der ISO Wert einer Kamera regelt, wie sensibel die einzelnen Lichtzellen auf dem Senor auf einfallendes Licht reagieren. Je höher der ISO, desto heller wird das Bild – gleichzeitig wird aber auch das Bildrauschen erhöht.
In der Produktfotografie wird meistens mit der niedrigsten ISO Einstellung fotografiert, um dem Bildrauschen keine Chance zu geben. Wir wollen ja saubere Fotos haben. Das Produkt wird kontrolliert ausgeleuchtet, nichts bewegt sich, wir haben Zeit und die Situation braucht den ISO Trick nicht.
Die Video Funktion wird nicht gebraucht
Wir wollen Fotos machen, keine Videos drehen, daher ist die Videofunktion zwar meist vorhanden, liegt aber sowieso brach. Das heißt auch, dass es egal ist, ob die Kamera in HD, Full HD, 4K, 8K, Slowmotion usw. aufnehmen kann. Alles Eigenschaften für andere Anwendungen und ein Preistreiber, den wir vermeiden können.
Automatik-Modi
Alles außer dem manuellen Modus M wird nicht gebraucht.
Schneller Burst Modus und Autofokus
Im Burst Modus werden von der Kamera bei gedrückter Auslösetaste schnelle Aufnahmereihen geschossen. Manche sind sehr langsam, manche sehr schnell. In der Produktfotografie schießen wir immer nur ein Bild.
Ein verlässlicher Autofokus ist vor allem für Situationen geeignet, in denen Bewegung stattfindet. Das ist in der Produktfotografie nicht der Fall.
Wie viele Megapixel brauche ich denn?
Wie viele Megapixel für Bildschirme?
Lasst uns kurz verstehen, was diese Megapixel überhaupt sind und wie viele davon die unterschiedlichen Medien überhaupt darstellen.
MP Summe | In Pixel | Format Pixel x Pixel | |
---|---|---|---|
1 Megapixel | 1 MP | 1.000.000 Pixel | 1000 x 1000 Pixel |
Full HD | 2,1 MP | 2.100.000 Pixel | 1920 x 1080 Pixel |
4K | 8,3 MP | 8.300.000 Pixel | 3840 x 2160 Pixel |
8K | 35,4 MP | 35.400.000 Pixel | 8192 x 4320 Pixel |
Webseiten werden weiterhin für maximale Auflösungen von 1920 x 1080 Pixeln optimiert. Das heißt ein Bild auf einer Webseite wird dabei nie breiter als 1920 Pixel sein.
Ohne eine Doktorarbeit darüber zu schreiben ist jetzt schon klar, dass man für Fotos auf Webseiten keine besonders hohe Megapixel Zahl braucht. Das erklärt vielleicht auch, warum die Megapixel-Schlacht bei Smartphones für Endkunden reiner Quatsch ist.
Wie viele Megapixel bei Drucksachen?
Aber was ist mit Drucksachen? Die meisten Drucksachen bis Postergröße werden mit 300 DPI oder 150 DPI gedruckt. Danach nutzt man immer weniger DPI.
DPI bedeutet „Dots Per Inch“, also „Punkte pro Inch“.
Für die Nerds unter Euch:
1 inch ~ 2,54 cm -> 1 DPI ~ 2,54 DPCM
1 cm ~ 0,39 inch -> 1 DPCM ~ 0,39 DPI
Benötigte Megapixel für Din-A-Formate im Überblick:
Din A Format | Größe in cm | MP bei 150 DPI | MP bei 300 DPI |
---|---|---|---|
Din A7 | 7,4 x 10,5 | 0,33 | 1,1 |
Din A6 | 10,5 x 14,8 | 0,65 | 2,2 |
Din A5 | 14,8 x 21,0 | 1,1 | 4,4 |
Din A4 | 21,0 x 29,7 | 2,2 | 8,8 |
Din A3 | 29,7 x 42,0 | 4,4 | 17,6 |
Din A2 | 42,0 x 59,4 | 8,8 | 34,8 |
Din A1 | 59,4 x 84,1 | 17,6 | 69,6 |
Din A0 | 84,1 x 118,9 | 34,8 | 139,2 |
Je größer der Druck, desto kleiner werden die verwendeten DPI bei Werbedrucken. Wieso, weshalb, warum erkläre ich gerne mal in einem anderen Artikel.
Wichtig für uns hier und heute ist die Erkenntnis, dass man meist viel weniger Megapixel braucht, als die meisten Kameras bieten. Der einzige Vorteil ist, dass man das Bild beschneiden kann, ohne in Pixelprobleme zu kommen. Das dürfte aber kein Problem sein in der Produktfotografie.
Ihr braucht definitiv keine 100 MP.
20-30 MP sind mehr als ausreichend für die meisten Anwedungen.
Kaufempfehlung: Welche Kamera für die Produktfotografie?
Zurück zu unseren drei verschiedenen Anwendern. Jeder hat seine eigene Zielsetzung und Herausforderung. Kameras leben länger als Smartphones, man kann die gleiche Kamera für die nächsten 10 Jahre verwenden. Ob Spiegelreflex-Kamera ohne eine Kamera ohne Spiegel ist für uns ziemlich egal.
Für Amateure habe ich Kamera inkl. Objektiv aufgelistet. Dadurch ist die Frage Objektivauswahl auch schon beantwortet. Für alle anderen schaut Euch den Artikel zur Objektivauswahl an.
Amateur – Privatanwender / Kleinunternehmer
Canon EOS 850D Kit mit 18-135 mm 1:3,5-5,6
Spiegelreflexkamera mit 24,1 MP APS-C Sensor inkl. 18-135mm Objektiv, das knackig scharfe Bilder produziert ohne Verzerrungsprobleme.
Sony Alpha 6400 (ILCE-6400) + SEL 18-135mm OSS
Systemkamera ohne Spiegel mit 24,2 MP APS-C Sensor inkl. 18-135mm Objektiv, das genauso gut ist wie das Canon Objektiv oben.
Semiprofi– Kleinunternehmer/ Kleines, mittleres Unternehmen
Canon EOS 90D
Spiegelreflexkamera mit 32,5 MP APS-C Sensor für mittleres Budget
Profi – Unternehmen jeder Größe und Fotografen
Bitte beachten: Ich liste mit Absicht keine Phase One oder Hasselblad Kameras auf. Das ist ein Thema für sich.
Canon EOS 5DS
Spiegelreflexkamera mit 50,6 MP Vollformat Sensor. Nicht mehr neu erhältlich, kann aber gebraucht gekauft werden. Ein echtes Biest im Studio für vergleichbar kleines Geld. Mit dem gesparten Geld lässt sich das gesamte Studiosetup kaufen.
Canon R5
Spiegellose Systemkamera mit 45 MP Vollformatsensor. Rundum eine super Kamera, aber auch sehr teuer. Die neuen Canon R Systemkameras haben auch ein neues Bajonett, heißt man braucht entweder einen Adapter für die alten EF Objektive oder man kauft sich die neuen Objektive.
Sony Alpha 7R I bis III
Spiegellose Systemkamera Vollformatsensor. Die Vorgänger der Sony Alpha 7R IV sind manchmal noch neu zu haben, ansonsten auch gebraucht erhältlich. Der Preis ist deutlich günstiger als die neuste Version. Mit dem gesparten Geld lässt sich das gesamte Studiosetup kaufen.
Sony Alpha 7R IV
Spiegellose Systemkamera mit 61 MP Vollformatsensor. In jeder Hinsicht eine super Kamera. Spielt preislich in der Canon R5 Kategorie.
Nikon Z7 II
Spiegellose Systemkamera mit 45,8 MP Vollformatsensor. Auch diese Kamera ist in jeder Hinsicht spitze. Genau wie bei Canon und Sony allerdings auch sehr teuer.
Bitte beachten:
Natürlich gibt es weitere gute Kameras und jeden Monat kommt ein neues technisches Highlight raus, das Unmengen an Geld kostet und 1000 unnötige Funktionen bietet. Viele professionelle Fotografen kaufen gebrauchte Kameras und nutzen diese für bis zu 10 Jahre.
Warum sollte ein Nicht Profi also eine teureres und neueres Modell brauchen?
Zusammenfassung: Welche Kamera für die Produktfotografie?
Kameras und technische Daten gibt es wie Sand am Meer. Ich hoffe Euch mit dem Artikel etwas helfen zu können, Euch nicht von den großen Zahlen zu unnötigen Käufen anregen zu lassen. Bedenkt, dass die Produktfotografie im kontrollierten Umfeld stattfindet.
Meiner Meinung nach sollte man die günstigst-mögliche Kamera für seine Ansprüche kaufen und restliches Geld lieber in Objektive, ein sehr stabiles Kamerastativ, Lichttechnik und sonstiges Studioequipment investieren.
Du benötigst professionellen Produktfotografie Service?
Du brauchst professionellen Service für Deine Produktfotos? Ich bin da, um Dir zu helfen. Schau Dir doch mal meine Leistungen hier an Produktfotografie
Ich freue mich auf unsere Projekte!